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Drei Fragen an Marten Neubauer

“Weg von isolierten Systemen, hin zu gehosteten Services”

Wie gehen deutsche Krankenhäuser und Kliniken die Herausforderungen der Digitalisierung an und wie können sie diese weiter vorantreiben? Welche Chancen bieten innovative Technologien wie generative KI? Marten Neubauer, Healthcare Fields Director bei Dell, gibt in unserem Experten-Interview Einblicke und Lösungsansätze.


Marten Neubauer ist als Field Director Healthcare bei DELL Technologies tätig. Mit über 20 Jahren Erfahrung in der Gesundheits-IT und einem soliden wissenschaftlichen Fundament, das einen Doktortitel in Ingenieurwissenschaften und einen M.Sc. in Chemie umfasst, treibt er in seiner aktuellen Rolle die Entwicklung neuer Anwendungsfälle im Gesundheitswesen voran. Bevor er zu Dell kam, bekleidete er die Position des CIO bei einem nationalen Gesundheitsdienstleister.
 


Vor welchen Herausforderungen stehen deutsche Kliniken bei der Digitalisierung, und welche Fortschritte wurden seit der Einführung des Krankenhauszukunftsgesetzes erzielt?


Die Auswirkungen des Krankenhauszukunftsgesetzes haben nichts Grundsätzliches an der Digitalisierung der Krankenhäuser in Deutschland geändert. Vielfach wurden Inselprojekte implementiert. Nur wenige Kliniken oder Verbünde haben die zur Verfügung gestellten Mittel effizient genutzt, um strategische IT-Initiativen zu fördern. Das liegt auch an der Art und Weise der staatlichen Förderung, die nach wie vor den Kauf von Technologie gegenüber As-a-Service-Modellen bevorzugt.
 

Auch Datenschutz- und Sicherheitsbedenken bezüglich Cloud-Services bestehen weiterhin. Obwohl die Gesetzeslage sich verbessert hat und nun mehr Unternehmen Cloud-Dienste gemäß deutschem Datenschutzrecht anbieten, bleiben Bedenken bestehen. Dabei sind professionelle Service-Provider oft sicherer als intern betriebene Server in Kliniken.


Ein weiteres Hindernis ist die Interoperabilität der Systeme. Die Kliniken verfügen über unterschiedliche IT-Systeme, die oft nicht miteinander kommunizieren. Es gibt Krankenhausinformationssysteme, die Diagnosen und Therapien für Abrechnungszwecke dokumentieren. Es gibt elektronische Patientenakten, die festhalten, wie es dem Patienten geht, und in Zukunft wird es immer mehr Patientenportale geben, etwa für die Terminplanung und die Einsicht in Befunde. In all diesen Systemen sind Daten des Patienten vorhanden – also wären Schnittstellen sinnvoll. Hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan, aber Standards werden nicht immer genutzt. Das liegt auch daran, dass die Softwarehersteller ihre Produkte oft so gestalten, dass die Anwender innerhalb eines Systems bleiben müssen.
 

Was sollten Kliniken ändern, um die Digitalisierung erfolgreicher zu gestalten?

 

In vielen Köpfen ist vor allem ein Umdenken nötig, weg von isolierten, eigenen Systemen und hin zu gehosteten Services, wie sie in vielen Branchen und anderen Ländern bereits üblich sind. In Frankreich gibt es den gleichen europäischen Datenschutzrahmen, aber dort muss ein Krankenhaus erst ISO-27001-zertifiziert sein, bevor es Patientendaten hosten und verwalten darf. Das klingt zunächst merkwürdig, weil das Krankenhaus die Patientendaten selbst produziert, aber diese Regelung stellt die IT-Sicherheit in den Vordergrund. Das Krankenhaus muss entscheiden, ob es die entsprechende Kompetenz ins Haus holt oder nicht. Im letzteren Fall muss es einen Dienstleister beauftragen. In Frankreich gibt es inzwischen eine Vielzahl solcher Anbieter, darunter auch Universitätskliniken, die für ihre Region gehostete Dienste für kleinere Häuser anbieten. 

 

In deutschen Kliniken muss häufig noch die entsprechende Mentalität geschaffen werden, damit sich die IT auf die Arbeitsabläufe konzentriert und nicht auf Backups, Server- und Sicherheitsupdates. Die IT sollte die Möglichkeit haben, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen, und nicht die meiste Zeit damit beschäftigt sein, Infrastruktur zu administrieren. Das ist immer noch weitgehend der Fall und meiner Meinung nach ein Hauptproblem. Deshalb sollten Klinikbetreiber als ersten Schritt bei allen Neuanschaffungen und Veränderungen im IT-Umfeld prüfen, ob es dafür externe Dienstleistungsangebote gibt. Im nächsten Schritt empfiehlt es sich, Arbeiten auszulagern, die nicht direkt mit den Abläufen in der Klinik zu tun haben.


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Was können Kliniken, wenn sie in der Digitalisierung voranschreiten, an künftigen Entwicklungen erwarten – wird sich zum Beispiel Generative KI auch auf Kliniken auswirken?


Ein großes Thema wird sein, wie man solche KI-Systeme nutzen kann, um die Patienten-Journey – sprich den Weg eines Patienten durch seine Erkrankung – anders zu gestalten. Denkbar wäre ein digitaler Ansprechpartner, der zur Verfügung steht, sobald ein Patient einen Termin im Krankenhaus vereinbaren möchte. Als Patient kontaktiere ich also die Klinik über einen Chat mit einer KI, in dem ich zum Beispiel sage, ich habe Knieprobleme und möchte diese untersuchen lassen. Die KI würde automatisch die Sprache des Patienten erkennen und sich darauf einstellen. Sie würde dann einige Informationen abfragen, zum Beispiel welche Medikamente ich einnehme, und einen Termin vorschlagen. Vor Ort könnte die KI dann über ein Terminal oder eine Smartphone-App das Gespräch wieder aufnehmen, die Person durch den weiteren Anmeldeprozess begleiten und zum Sprechzimmer des Arztes führen. Wir arbeiten derzeit an einem solchen Pilotprojekt in einer deutschen Klinik mit. Gerade weil wir in Krankenhäusern in vielen Bereichen ein demografisches Problem haben – eine alternde Bevölkerung und einen Mangel an jungen Fachkräften – werden sich solche KI-Services und generell eine gesunde Digitalisierungsstrategie am Ende für die Kliniken auszahlen.
 


Ihr Experte zum Thema:
Michael Schild
Vertrieb
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